Matthäus 7, 21-23

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HERR, HERR! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: HERR, HERR! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben, und haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter! (Matthäus 7, 21-23)

Mittwoch, 18. Mai 2016

Spiegelblick

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

es gibt manchmal diese Momente im tagtäglichen Einerlei, in welchem sich die Gelegenheit bietet, in einen Spiegel zu schauen, und man sich fragen kann, wer das ist, der einem da entgegenblickt. Erkennt man sich darin sofort wieder, oder rühren sich da plötzlich unangenehme Gefühle, Fragen und Erinnerungen? Liebe Brüder und Schwestern: Was sagt das nicht alles über einen Menschen aus, wenn man die Art und Weise betrachtet, mit der sich jemand im Spiegel anblickt!

Da gibt es zum Beispiel die Eitlen, Getriebenen und Gefallsüchtigen: Man bekommt das eine oder andere graue Haar, man müsste sich wieder rasieren, ein hässlicher Pickel hat sich herangebildet, die Kleidung steht einem nicht, der Schmuck ist nicht hübsch genug, die Schminke müsste nachbessert werden...Unendliches, was diese Menschen sehen, aber doch nichts von wahrer Bedeutung: Diese Menschen haben kein Interesse sich selbst im Spiegel zu sehen: Sie wollen nur das sehen, was andere sehen sollen! Sie wollen sich gefallen, indem sie anderen gefallen.

Und dann gibt es Gleichgültigen, die Gewohnheitstiere: Sie blicken in den Spiegel, und wenden sich wieder ab - zufrieden, wenn sie das sehen, was sie immer sehen wollen. Sie hinterfragen nicht, was sie sehen, und sie denken auch nicht darüber nach. Alles soll nur so sein, wie es immer ist: Das Gewohnte, Althergebrachte, Unauffällige, Bequeme und Gewöhnliche. Bloß keine Veränderung, keinen Fortschritt, keine Entwicklung - denn diese könnten ja zum Negativen sein.

Aber was ist mit uns, liebe Brüder und Schwestern? Was wollen wir erblicken, wenn wir in den Spiegel sehen? Wollen auch wir die prüfenden Blicke nur auf das fokussieren, was anderen wichtig ist? Oder wollen wir einfach zufrieden sein und weitergehen, wenn alles so ist, wie es immer ist? Keine Gedanken? Kein wirkliches Erkennen? Oder sollten wir nicht lieber in den Spiegel blicken, und uns bewußt fragen: Wer ist das, den ich da im Spiegel sehe?

Zuallererst sieht man im Spiegel nur das Vergängliche und Veränderliche: Unsere zerbrechliche Hülle aus Fleisch und Blut, welche erkranken kann, altern und letztlich sterben wird. Das ist zunächst einmal alles, was wir sehen. Und das genügt manchem auch schon. Das ist es, was manchem Menschen bereits ausreicht, um sich selbst zu erkennen und zu selbstsicher zu behaupten: Das bin ich. Er reduziert sich, sein Wesen, seine Existenz und sein Leben auf ein "paar" Moleküle, die mittels biochemischer Vorgänge unseren Lebenprozess abbilden.

Dabei ist da noch so Vieles mehr, was hinter in dieser Hülle verborgen ist! Auch wenn wir das, von dem ich gleich sprechen werde, nicht mit unseren eigenen körperlichen Augen sehen können, so gibt es doch jemanden, der es uns zeigen kann, wenn wir nur wollen - wenn wir nur fragen! Nämlich Jesus Christus. Nichts ist vor ihm verborgen, er kennt auch die entlegensten Ecken unserer Gedanken, Erinnerungen, Wünsche, Begierden und Taten. Wen wir verletzt, betrogen, beleidigt oder versetzt haben, vielleicht auch bestohlen oder mißhandelt - all das weiß Jesus Christus und zeigt es uns, wenn wir es uns zeigen lassen. Aber da sind natürlich auch unsere guten Seiten - wo wir Mitleid hatten, Barmherzig waren, unseren Mitmenschen geholfen haben und wo wir gerecht waren. Auch das zeigt uns Jesus, denn er selektiert nicht. Er wählt nicht aus, sondern er ist der Inbegriff der absoluten Wahrheit!

Und nun wollen wir uns vorstellen, daß der metaphorische Spiegel von eben Jesus Christus persönlich ist. Wir blicken zu ihm auf, und er zeigt uns durch den Heiligen Geist, wer wir wirklich sind. Er portraitiert unser wahres Ich vor unserem inneren Auge, und wie werden wir uns dann fühlen? Sind wir zufrieden mit diesem unseren wahren Bild? Oder fühlen wir uns hässlich? Sind wir stolz auf das, was uns der Heilige Geist zeigt, oder verachten wir uns? Aber täuscht Euch nicht: Jesus zeigt uns all das nicht, um zu strafen oder zu belohnen - er zeigt es uns, um uns erkennen zu lassen, wo wir besser werden sollen, oder wo wir richtig lagen. Er zeigt es uns, um uns zur Umkehr zu bewegen, wo immer wir gefehlt haben. Er zeigt es uns, weil es die reine Wahrheit ist. Erinnern wir uns: Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Liebe Brüder und Schwestern, an jenen Tagen nun, an denen wir stolz auf das sind, was uns der Herr offenbart, wollen wir ihm demütig danken, und bitten, daß er uns vor Hochmut und Eitelkeit bewahre, denn zu sehr sind wir Menschen anfällig dafür. An den Tagen jedoch, an denen wir uns schuldig fühlen, ja wo wir uns vielleicht sogar verachten und uns schämen, wollen wir den Herrn aufrecht bitten, daß er uns unsere Verfehlungen vergebe - und ich bin sicher, daß er es tun wird, wenn wir nur das geistige Spiegelbild, welches er uns durch den Heiligen Geist erkennen läßt, voll annehmen und akzeptieren. Denn niemals hat Jesus Christus von uns erwartet, daß wir perfekt sind. Aber er erwartet von uns, daß wir ehrlich sind zu uns selbst; daß wir uns bessern wollen, daß wir uns unsere Fehler eingestehen wollen, und mit all diesen Anliegen im Gebet vor ihn treten.

Und was haben wir nun davon, daß wir unser dieser, oftmals sehr unangenehmen, Selbsterkenntnis durch den Heiligen Geist aussetzen? Ich will es Euch sagen: Viele Enttäuschungen, Schmerz und manches Leid in der Welt, entspringen allein der Tatsache, daß Menschen sich niemals untereinander so anzunehmen vermögen wie sie sind. Wie oft verletzen Menschen sich und andere, weil sie glauben, etwas anderes sein zu müssen, als was sie sind. Dieser Wahn, stets zu beweisen, daß man das ist, was andere scheinbar oder real von einem erwarten, kann ein ganzes Leben zerstören! Wer nicht ehrlich zu sich selbst ist, der ist auch nicht ehrlich zu anderen: Er hat eine stets verwundbare Stelle, und oftmals treffen uns unsere Mitmenschen genau da: Sie enthüllen unser Versteckspiel, weil wir einen Fehler in unserer Tarnung haben - weil sie die Risse in unserer Fassade erkennen - und sich dadurch selbst präsentieren und erhöhen, indem sie andere bloßstellen. Der Mensch, der immer nur den Erwartungen anderer gerecht werden will, der jagt einem Phantom nach - denn Erwartungen verändern sich ebenso rasch wie Launen. Sie sind fließend - man bessert immer nach, investiert Zeit und Geld, erreicht aber niemals das Ziel. Man lebt in der steten Befürchtung, erkannt, entblößt, enttäuscht oder ausgegrenzt zu werden.

Und aus diesem Strudel der steten Unruhe, diesem Stress, der Anspannung und Abnutzung, kann uns der Blick in den geistlichen Spiegel befreien: Denn wer sich selbst voll und ganz annimmt, mitsamt seinen Fehlern und Schwächen, Stärken und Facetten - und so im Gebet und im Glauben vor den Herrn tritt und aufrichtig um seine Hilfe und Vergebung bittet, der wird den wohl höchsten Lohn empfangen, den wir in dieser Welt erhalten können: Nämlich den tiefen Frieden mit sich selbst, der aus der Gewißheit erwächst, ganz und gar von Gott dem Herrn geliebt und angenommen zu sein, wie man ist. Er wird Gelassenheit erlangen, weil er weiß, daß er nicht nur mit Gott ist, sondern Gott auch mit ihm! Er wird Sicherheit erlangen, denn er weiß, daß Gott ihn stets auf rechten Pfaden führt, und alles, auch wenn man es nicht immer unmittelbar und sofort erkennt, auf lange Sicht doch zum Besten gefügt ist.


Und so wollen wir beten:

Herr, allmächtiger Vater,
bitte erfülle uns mit Deinem Heiligen Geist,
und schenke uns die Selbsterkenntnis,
die wir brauchen, um unsere Sünden zu erkennen,
uns zu bekehren und uns zu bessern.

Schenke uns Deine Vergebung und die Kraft,
den Versuchungen dieser Welt nicht länger zu unterliegen,
sondern unser Leben nach Deinem Willen zu gestalten.
Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Mitmenschen
bitten wir Dich durch Jesus Christus, unseren Herrn,

AMEN.

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