Matthäus 7, 21-23

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HERR, HERR! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: HERR, HERR! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben, und haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter! (Matthäus 7, 21-23)

Freitag, 20. Mai 2016

Schubladen und Kategorien

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

aus gegebenem Anlass möchte ich unseren Blick auf ein Phänomen lenken, über welches ich mir bereits vor einiger Zeit ein paar Gedanken gemacht habe: Das Schubladendenken. Im Folgenden nun meine niedergeschriebenen Betrachtungen zu diesem Thema, die, wie bereits erwähnt, schon ein wenig in die Tage gekommen sind, aber nichts an Aktualität eingebüßt haben:

Schwarz und Weiß

Einer der Grundzüge des menschlichen Wesens ist es, alle Dinge in vereinfachte Kategorien einsortieren zu wollen. Das klassische „Schubladendenken“ ist etwas, daß unserer Denkunlust zu Gute kommt, da es die Wahrnehmung unserer Umwelt vereinfacht. Es geht sehr viel schneller und ist wesentlich unkomplizierter, seine Mitmenschen in drei oder vier Kategorien einzuteilen, anstatt jeden Einzelnen als Individuum ausdifferenzieren und beurteilen zu wollen. Das fatale an dieser Angewohnheit ist, daß sie zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führt. Unbewußt beginnt man, die Welt gewissermaßen „binär“ zu empfinden: Entweder ein Ding, ein Mensch, eine Sache, usw., ist so oder so: Gut oder böse, nützlich oder lästig, schwarz oder weiß. Und wie es bei Kategorien von Dingen so ist, assoziieren wir mit den konkreten Begriffen auch Gefühle wie Abneigung, Zuneigung, Respekt, Verachtung, Toleranz und ähnliches. Dadurch nehmen wir das Ding an sich nicht nur verzerrt und vereinfacht wahr, sondern wir reagieren auch entsprechend unpassend darauf. Das Denken in sauber voneinander getrennten, also untereinander exklusiven, Kategorien bedeutet zwangsweise auch, sich dem Reichtum der göttlichen Schöpfung zu verschließen, der ja gerade darin besteht, daß jedes Ding ganz individuell und besonders ist, wenn man seine Details und Unterschiede bewußt in den Blick nimmt.
Je stärker man in Kategorien denkt, desto verzerrter wird also unsere Wahrnehmung. Wenn wir beispielsweise einen Menschen ausschließlich nach vereinfachten Kategorien beurteilen, ohne die Nuancen seiner Persönlicheit zu beachten, dann berauben wir diesen Menschen tragischerweise seines Charakters und dementsprechend auch, und das ist ebenso tragisch wie schlimm, seiner Würde - wir degradieren ihn zu einem Objekt, das in unseren Augen ausschließlich jene Kategorien besitzt, die wir ihm zugestehen wollen. Hinzu kommt die bereits erwähnte Angewohnheit, die Oder-Beziehung von Kategorien als etwas Exklusives zu betrachten: Entweder man hat die eine Eigenschaft, oder aber die andere. Eines schließt das andere konsequent aus. Das inklusive Denken wirkt nämlich unsympathisch auf uns – die Vorstellung von verschiedenen, auch gegensätzlichen Kategorien, die gleichzeitig in verschiedensten Verhältnissen zueinander präsent sind, ist komplex und verlangt Denkarbeit. Der Mensch, oder das Ding, ist dann nämlich nicht mehr einfach, sondern etwas ganz Spezielles und verlangt von uns Aufmerksamkeit, Beachtung, Interpretation und differenzierte Beurteilung. Unsere Reaktionen sind nun nicht mehr in einer simplen, statischen Abhängigkeit zu gegebenen Kategorien, sondern müssen sorgsam gewählt und angemessen sein. Im zwischenmenschlichen Bereich kennzeichnet gerade dieser Denkaufwand die akzeptierte und wahrgenommene Würde des anderen, und den Respekt, mit dem auch wir von anderen wahrgenommen werden wollen.

Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns also im täglichen Leben stets darauf achten, nicht zu sehr auf Kategorien und starren Beurteilungen zu bestehen, sondern erweisen wir unseren Mitmenschen, unserer Umwelt, ja, der göttlichen Schöpfung überhaupt, den gebührenden Respekt, indem wir zulassen, alles seiner Art gemäß zu betrachten. Keine zwei Dinge in dieser Welt sind wirklich gleich, und in jeder Sache steckt eine eigene Besonderheit, die uns bereichern kann.

Friede sei mit Euch!

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