Matthäus 7, 21-23

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HERR, HERR! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: HERR, HERR! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben, und haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter! (Matthäus 7, 21-23)

Dienstag, 24. Mai 2016

Über die Sünde

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

wie Ihr sicherlich wißt, sind wir alle letztlich Sünder...die einen mehr, die anderen weniger. Aber niemand ist nunmal ohne Sünde. Aber müssen wir deswegen mit gesenktem Haupt und Blick niedergeschlagen durch das Leben trotten? Müssen wir uns schämen? Sind wir "schlechtere" Menschen?

Ich sage Euch, wir sind es nicht! Und wir brauchen uns auch nicht zu schämen! Wir müssen den Blick nicht senken! Aber wir müssen unsere Sünden erkennen! Das ist der springende Punkt: Wir müssen unsere Sünden erkennen. Und wir müssen uns bewußt machen, daß wir durch unsere Sünden nicht nur anderen Menschen oder der Schöpfung schaden - nein, wir wenden uns dadurch auch direkt gegen Gott! Wir reissen durch unsere Sünden immer wieder einen Teil der Brücke, die Jesus Christus durch sein Kreuzesopfer errichtet hat, um die Kluft der Sünde zwischen Gott und uns zu überbrücken, ein.

Wir alle begehen tagtäglich kleine oder größere Sünden - wenn beispielsweise in den Geboten steht, „Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen" (Exodus 20,16), und wir bedienen uns auch nur der kleinsten und nebensächlichsten Lüge - dann haben wir das Gebot bereits mißachtet. Und jeder von uns weiß, daß wir hin und wieder lügen - manchmal sogar ganz automatisch. Für die anderen Gebote gilt dies ebenso. Und allerspätestens die Ausführungen Jesu (Matthäus 5,17-48) entlarven uns endgültig als Sünder. Denn Gott sieht in die Herzen  - auch wenn Ihr Eure Sünden vor Euch selber rechtfertigt, verschleiert oder verdrängt: Vor Gott liegen sie offen.

Bleiben wir beim dem Bild der Brücke: Sie überspannt den Abgrund, den der Sündenfall zwischen Gott und uns aufgetan hat, und erlaubt es uns, zu ihm zu kommen. Und immer wieder beschädigen wir diese Brücke durch unsere Verfehlungen - und das so lange, bis wir sie kaum noch beschreiten können - bis wir keinen Weg zu Gott mehr haben. Das klingt dramatisch? Das ist es auch! Wir entfernen uns von Gott, wenn wir sündigen; wir errichten eine Mauer zwischen ihm und uns, wir wenden unser Angesicht ab von ihm....man kann es letztlich ausdrücken, wie man will: Entscheidend ist, daß der Mensch, daß wir, diese innere Tendenz haben, uns von Gott zu trennen. Das ist die Ursünde, die in uns ist. Sie ist der Abgrund zwischen dem allmächtigen Vater und uns. Und hätte sich Jesus Christus nicht für unsere Sünden geopfert, sie also gewissermaßen bei Gott für uns schon "beglichen" - wir wären verdammt. Ja, sprechen wir es nur aus: Wir wären verdammt durch unsere Sündhaftigkeit, wenn Jesus Christus sein Leben nicht für uns hingegeben hätte.

Wir Menschen sind nun einmal Sünder! Wir tun immer wieder Böses, weil wir den weltlichen Dingen mehr zuneigen als den geistlichen! Aber Jesus Christus ist für uns gestorben, er hat uns erlöst! Er hat uns durch sein Opfer gewissermaßen genug Baumaterial bereitgestellt, daß wir alle Schäden an der Brücke zu Gott wieder ausbessern können - egal wie groß sie sind, oder wie oft wir sie absichtlich oder unabsichtlich wieder aufreissen. Das ist die frohe Botschaft, von der wir Christen immer wieder sprechen müssen! Denn Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erden, liebt uns - er möchte uns zu sich nehmen, wenn wir unseren irdischen Lauf beendet haben. Und das geht nur über jene metaphorische Brücke, die Jesus Christus für uns geschlagen hat. 

Aber diese Brücke stabil, offen und begehbar zu machen, bedarf es neben unserem Glauben und Willen auch der Mitarbeit. Und die besteht darin, unsere Sündern zu erkennen, sie zu bereuen, sie vor Gott zu bekennen, und ihn um Vergebung zu bitten. Wie aber geht das? Jesus Christus hat uns durch die Taufe zu Mitgliedern seiner Kirche berufen, und für uns die Sakramente eingesetzt: Eines davon ist die Beichte - hier vergibt uns Gott unsere Sünden, die wir vor ihn bringen. Und dann gibt es die Eucharistie -  durch sie vereinen wir uns mit Jesus Christus, und erhalten die Stärke, die wir brauchen, um uns immer wieder gegen die Versuchungen der Sünde zu wehren.

Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, laßt uns akzeptieren, daß wir Sünder sind - denn wir wissen, daß uns unsere Sünden vergeben werden. Aber das soll natürlich kein Aufruf zu Hochmut und fröhlichem Weitersündigen sein - sondern ein Aufruf zur Bekehrung! Wir sollen stets bestrebt sein, nicht zu sündigen, und uns an Gottes Gebote zu halten - dazu gibt es keine Alternative. Aber Gott weiß auch, daß wir es nicht immer schaffen, seine Gebote einhundertprozentig zu halten - selbst die Heiligen konnten das nicht. Daher vergibt er uns, wenn wir aufrichtigen Herzens unsere Verfehlungen erkennen, bereuen und ihn um Vergebung bitten.

Deswegen, liebe Brüder und Schwestern, laßt uns nicht zerknirscht, kleinmütig und verzweifelt werden, wenn wir uns verfehlen, denn der Herr vergibt uns, wenn wir uns ihm anvertrauen.

Lasset uns beten:

Herr, ich bitte Dich,
erfülle mich mit Deinem Geist.
Lass' mich meiner Sünden gewahr werden,

und hilf mir, mich selbst zu erkennen.
Sieh' auf das Elend Deines Knechtes in
Deiner Barmherzigkeit und Güte.
Herr, bitte vergib mir meine Verfehlungen,
wie auch ich vergeben will all jenen,
die sich an mir verfehlt haben.

Darum bitte ich Dich durch unseren Herrn,
Jesus Christus, und im Heiligen Geist,

AMEN.

Der Friede sei mit Euch!




Montag, 23. Mai 2016

Beten wirkt!

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

heute möchte ich mit Euch über das Beten sprechen. Genauer gesagt: Das Beten als Christ. Ich möchte die Frage beleuchten, warum das christliche Gebet in meinen Augen so besonders ist, und was mich beim Gebet bewegt. Ich will damit versuchen, eine persönliche Antwort auf die Frage zu geben, warum, wofür und wie man als Christ beten kann.

Zunächst einmal ist das Gebet schlicht und ergreifend ein Gespräch mit Gott. Und in dieser Feststellung liegt auch schon das erste wichtige Merkmal des christlichen Gebetes: Wenn ich bete, habe ich die Gewißheit, daß Gott bei mir ist, daß er mich hört, und ich niemals vergebens bete - daß heißt, ich kann sicher sein, daß Gott immer auf meine Anliegen reagiert.  Und ich spreche zu Gott in der Gewißheit, daß er mich nicht nur hört, sondern auch antwortet.

Natürlich antwortet Gott nicht immer so, wie ich mir das so vorstelle: Denn allein er entscheidet, wie er reagiert - ob er zu mir spricht, oder ob er gewisse Dinge in Gang setzt, die sich vielleicht gleich, am nächstens Tag oder erst in Jahren auswirken. Nein, man kann nie sagen, wie Gott im konkreten Fall reagiert, aber eines ist sicher: Er tut es, und es wird immer zu meinem Besten sein. Diese Gewißheit ist es, die mich im Gebet trägt, und die das Gebet so fruchtbar macht.

Denn Beten bewirkt neben seiner eigentlichen Funktion "mit Gott reden" auch noch mehr: Denn wenn ich mit Gott spreche, schenkt mir Gott mitunter auch vieles, worum ich gar nicht direkt gebeten habe, er aber offensichtlich der Meinung ist, es wäre nötig. Das kann Erkenntnis, Inspiration oder Friede und Entspannung sein - Gott wird immer das Richtige tun. Wenn ich also bete, rede ich nicht nur, sondern ich höre auch zu: Ich versuche immer ganz offen zu sein, für das, was Gott mir vielleicht mitzuteilen hat. Die Bibel lehrt uns ja, daß Gott weiß, wessen wir bedürfen, noch bevor wir den Mund aufgemacht haben:
"[...]Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, ehe ihr ihn bittet." (Matthäus 6,8)
Um jedoch keinen falschen Eindruck zu erwecken: Gott entscheidet allein und souverän über das, was er uns schenkt oder angedeihen läßt: Er ist der liebende, aber auch sorgende und verantwortungsvolle Vater, der sich all unsere Wünsche und Nöte geduldig anhört, aber letztlich selbst darüber entscheidet, wie, und ob er darauf eingeht.

So sehr auch das Gebet bisher nach einer "kuscheligen" Angelegenheit klingt: Ich muß mir immer wieder bewußt machen, mit wem ich da eigentlich in Kontakt trete: Es ist der Schöpfer höchstselbst!
Unser Vater im Himmel ist derjenige, der das ganze Universum geschaffen hat  - ich spreche mit einem so unendlich höheren und mächtigeren Wesen, als ich es bin, daß eine tiefe Ehrfurcht das allermindeste ist, was ich ihm entgegenbringen sollte und will! Und dazu gehört auch, daß ich erkennen muß, daß ich nur ein kleiner sündiger Mensch bin. Ja: Sündig. Wie wir es alle sind - aber das ist ein eigenes Thema.

Wenn ich bete, dann habe ich immer im Hinterkopf, daß ich mich beinahe täglich gegen mindestens eines der Gebote des Herrn verfehle - sicher: Es mögen für uns Menschen manchmal nur Kleinigkeiten sein, und oft bemerken wir sie nicht einmal recht, aber dennoch haben wir ein Gebot des Herrn nicht geachtet. Eine kleine Unachtsamkeit hier und da reicht schon aus, und wir haben uns verfehlt. Ich könnte an dieser Stelle vielleicht sagen: "Macht nix, Jesus Christus hat mich aus der Sünde erlöst, weil er für mich gestorben ist, und von daher gibt es da keinen Streß..." - Aber ich glaube, das wäre eine Anwandlung von Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit, so zu denken. Nein: Ich will mir meiner Sündhaftigkeit bewußt sein, und ganz offen den Vater im Gebet um Vergebung bitten - allein schon aufgrund meiner Ehrfurcht vor ihm, und vor dem Opfer seines Sohnes, unseres Herrn, Jesus Christus.

Ein weiterer Aspekt des Betens ist die innere Bereitschaft, Gottes Antwort anzunehmen - denn sie kann nicht einfach nur anders oder unerwartet ausfallen, sondern auch sehr hart und konkret. Denn Gott kennt die Zusammenhänge der Welt natürlich sehr viel besser als wir, und wenn er uns helfen will, dann bedarf es mitunter Maßnahmen, die uns unter Umständen zunächst widersinnig erscheinen. Wenn ich beispielsweise für einen besseren Arbeitsplatz bete (ja, auch mit solch "profanen" Dingen darf man zu Gott kommen), dann kann ein Teil von Gottes Hilfe auch sein, daß wir zunächst unseren momentanen Arbeitsplatz verlieren, und eine schwierige Zwischenzeit überbrücken müssen, um dann zum eigentlich Ziel zu kommen. Ja, Gott wird uns niemals etwas Schlechtes bereiten - nur erkennen wir es oft nicht. Daher will ich bei meinen Gebeten absichtlich Geduldig sein - auch wenn es mir  manchmal sehr schwer fällt. Ich will gar keine sofortige und konkrete Hilfe erwarten - wie bei meinem Gärtner, der einen Samen in die Erde setzt, in der Gewißheit, das die Pflanze zwar nicht sofort aus dem Boden schießt, es aber letztlich, nach einer gewissen Zeit, doch tun wird.

Beten will ich aber nicht nur, um Gott jedesmal um etwas zu bitten - ich bete manchmal auch ganz ohne konkreten Zweck. Dann Danke ich Gott einfach dafür, daß er für mich da ist, und mache mich ganz frei und leer in Gedanken - getreu dem Vers aus der Bibel (1. Samuel 3, 8): "Rede Herr, denn Dein Knecht hört." Dann geht es mir wie jener Erzählung von dem Pfarrer von Ars, in dessen Gemeinde ein Gläubiger, bezüglich seiner zeitlich ausgedehnten Anbetung vom Pfarrer befragt wird, erwidert: "Ich schaue den guten Gott an und der gute Gott schaut mich an."

Beim Gebet halte ich mir immer vor Augen, daß ich nur deshalb zum allmächtigen Vater beten kann, weil Jesus Christus es mir möglich gemacht hat: Nur durch sein Kreuzesopfer wurde eine Tür für alle Menschen dieser Welt zu Gott geöffnet, da sie vorher durch unsere Sünden verschlossen war. Jesus Christus hat uns allen durch den neuen Bund die Gotteskindschaft geschenkt! Daher gedenke ich im Gebet stets seines Opfers, seiner Erlösungstat und seiner Worte:
"Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan." (Matthäus 7,7-8)

Und ich denke an den Heiligen Geist - Durch ihn wirkt Gott in der Welt, mit Hilfe seiner Kraft kann ich glauben und Gottes Gegenwart wahrnehmen. Wenn ich bete, dann ist es der Heilige Geist, der mein Gebet für Gott vernehmbar macht - und umgekehrt. Der Heilige Geist - um ihn kann ich Gott bitten, daß er mich erfüllen möge, um mir beispielsweise Erkenntnis oder Inspiration zu schenken: Wenn ich eine Bibelstelle lese, und sie nicht deuten kann, dann bete ich um den Heiligen Geist - und meistens dauert es auch nicht lange und die "widerspenstigen" Verse erschließen sich mir wie von selbst. Oder wenn ich einen Text verfassen möchte, und mir kommen nicht die richtigen Worte in den Sinn: Der Heilige Geist schenkt mir die nötige Inspiration. Egal, um was es geht: Ob Kraft oder Heilung, Entscheidungsschwierigkeiten, Trauerarbeit und vieles mehr - der Heilige Geist, als wirkmächtige Kraft Gottes in dieser Welt, steht mir bei und um ihn kann ich immer bitten, wenn ich mich geschwächt oder unsicher fühle.

Zum Gebet gehört auch die Besinnung: Wenn ich bete und das Gefühl habe, daß Gott mir im Geist geantwortet hat, dann muß ich stets bemüht sein, die "Geister zu unterscheiden" (gemäß Ignatius von Loyola). Hat wirklich Gott zu mir gesprochen, oder habe ich mir selber was zusammengereimt? Das kann sehr schwierig sein, und nicht selten wird man mehr seiner eigenen Einbildungskraft erliegen, anstatt wirklich Gottes "Stimme" gehört zu haben. Dieses Nachsinnen über die Geister kann zu einer regelrechten Meditation werden - wobei ich das Wort nicht besonders mag. Kontemplation ist besser.

Was die Gebetspraxis angeht, habe ich keine feste Regeln: Im Gegensatz zu Gottesdiensten, wo das Beten ja seitens der Liturgie festgelegt ist, ist man im alltäglichen Leben vollkommen frei. Grundsätzliche versuche ich, den ganzen Tag im Gebet zu bleiben. Ununterbrochen geht das allerdings nicht, da die Ablenkungen viel zu zahlreich oder intensiv sind. Jedoch immer, wenn ich für ein paar Augenblicke zur Besinnung komme, bete ich: Beispielsweise auf dem Weg von der Arbeit nach Hause oder beim Einkaufen in der Warteschlange an der Kasse. Selbst abends beim Bier in der Kneipe richte ich mitunter ein Gebet an den Herrn.

Je nach Situation bete ich in einer Kombination aus "offiziellen" Gebeten und eigenen: Wenn ich wenig Zeit habe, rezitiere ich oft ein Ehre sei dem Vater, das Jesus-Gebet oder Ave Maria. Habe ich mehr Zeit, beginne ich einen Rosenkranz, und bete ihn Stück für Stück im Laufe des Tages durch. Ich entscheide nach Gefühl, und oft bete ich auch in freier Prosa zu Gott.

Fast immer bewirkt das Beten eine sofortige Verwandlung: Ich werde ruhig, die Gedanken werden klar, ich habe das Gefühl, als würde meine Seele tief durchatmen. Und je nach Situation, beschenkt mich Gott durch den Heiligen Geist mit dem, wessen ich bedarf: Neue Kraft, Hoffnung, Zuversicht, Ruhe, Erkenntnis....Gott weiß, was mich bewegt, und wenn ich bete, erhört er mich. Ich weiß, ich bin mit Gott, und Gott ist allezeit mit mir durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Liebe Brüder und Schwestern, das Gebet ist unsere ganz persönliche Beziehung zu Gott, und als Christen tun wir gut daran, sie entsprechend zu pflegen. Wie heißt es in der Bibel so schön:
"Betet ohne Unterlass!" (Thessalonicher 5,17).

Der Herr segne Euch, und möge der Friede mit Euch sein!

Freitag, 20. Mai 2016

Schubladen und Kategorien

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

aus gegebenem Anlass möchte ich unseren Blick auf ein Phänomen lenken, über welches ich mir bereits vor einiger Zeit ein paar Gedanken gemacht habe: Das Schubladendenken. Im Folgenden nun meine niedergeschriebenen Betrachtungen zu diesem Thema, die, wie bereits erwähnt, schon ein wenig in die Tage gekommen sind, aber nichts an Aktualität eingebüßt haben:

Schwarz und Weiß

Einer der Grundzüge des menschlichen Wesens ist es, alle Dinge in vereinfachte Kategorien einsortieren zu wollen. Das klassische „Schubladendenken“ ist etwas, daß unserer Denkunlust zu Gute kommt, da es die Wahrnehmung unserer Umwelt vereinfacht. Es geht sehr viel schneller und ist wesentlich unkomplizierter, seine Mitmenschen in drei oder vier Kategorien einzuteilen, anstatt jeden Einzelnen als Individuum ausdifferenzieren und beurteilen zu wollen. Das fatale an dieser Angewohnheit ist, daß sie zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führt. Unbewußt beginnt man, die Welt gewissermaßen „binär“ zu empfinden: Entweder ein Ding, ein Mensch, eine Sache, usw., ist so oder so: Gut oder böse, nützlich oder lästig, schwarz oder weiß. Und wie es bei Kategorien von Dingen so ist, assoziieren wir mit den konkreten Begriffen auch Gefühle wie Abneigung, Zuneigung, Respekt, Verachtung, Toleranz und ähnliches. Dadurch nehmen wir das Ding an sich nicht nur verzerrt und vereinfacht wahr, sondern wir reagieren auch entsprechend unpassend darauf. Das Denken in sauber voneinander getrennten, also untereinander exklusiven, Kategorien bedeutet zwangsweise auch, sich dem Reichtum der göttlichen Schöpfung zu verschließen, der ja gerade darin besteht, daß jedes Ding ganz individuell und besonders ist, wenn man seine Details und Unterschiede bewußt in den Blick nimmt.
Je stärker man in Kategorien denkt, desto verzerrter wird also unsere Wahrnehmung. Wenn wir beispielsweise einen Menschen ausschließlich nach vereinfachten Kategorien beurteilen, ohne die Nuancen seiner Persönlicheit zu beachten, dann berauben wir diesen Menschen tragischerweise seines Charakters und dementsprechend auch, und das ist ebenso tragisch wie schlimm, seiner Würde - wir degradieren ihn zu einem Objekt, das in unseren Augen ausschließlich jene Kategorien besitzt, die wir ihm zugestehen wollen. Hinzu kommt die bereits erwähnte Angewohnheit, die Oder-Beziehung von Kategorien als etwas Exklusives zu betrachten: Entweder man hat die eine Eigenschaft, oder aber die andere. Eines schließt das andere konsequent aus. Das inklusive Denken wirkt nämlich unsympathisch auf uns – die Vorstellung von verschiedenen, auch gegensätzlichen Kategorien, die gleichzeitig in verschiedensten Verhältnissen zueinander präsent sind, ist komplex und verlangt Denkarbeit. Der Mensch, oder das Ding, ist dann nämlich nicht mehr einfach, sondern etwas ganz Spezielles und verlangt von uns Aufmerksamkeit, Beachtung, Interpretation und differenzierte Beurteilung. Unsere Reaktionen sind nun nicht mehr in einer simplen, statischen Abhängigkeit zu gegebenen Kategorien, sondern müssen sorgsam gewählt und angemessen sein. Im zwischenmenschlichen Bereich kennzeichnet gerade dieser Denkaufwand die akzeptierte und wahrgenommene Würde des anderen, und den Respekt, mit dem auch wir von anderen wahrgenommen werden wollen.

Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns also im täglichen Leben stets darauf achten, nicht zu sehr auf Kategorien und starren Beurteilungen zu bestehen, sondern erweisen wir unseren Mitmenschen, unserer Umwelt, ja, der göttlichen Schöpfung überhaupt, den gebührenden Respekt, indem wir zulassen, alles seiner Art gemäß zu betrachten. Keine zwei Dinge in dieser Welt sind wirklich gleich, und in jeder Sache steckt eine eigene Besonderheit, die uns bereichern kann.

Friede sei mit Euch!

Die Krux der Theologie

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

viele unserer Mitmenschen wissen nicht besonders viel über den katholischen Glauben. Selbst viele Kirchengänger verfügen nur über ein sehr oberflächliches Verständnis der Lehre unserer Mutter Kirche und der Inhalte der Heiligen Schrift. Woher kommt das?

Vielleicht hat es etwas damit zu tun, daß die Inhalte unseres Glaubens nicht genug in der breiten Öffentlichkeit vermittelt werden: Der Religionsunterricht an den Schulen ist vollkommen mangelhaft in der Vermittlung von Glaubensinhalten, und die Mainstream-Medien thematisieren den Glauben bestenfalls, um ihn zu diskreditieren. Wer den Glauben kennenlernen möchte, der ist auf sich selbst angewiesen - muß sich Literatur besorgen, sich selbst in das Thema einarbeiten oder im Internet recherchieren. Erschwerend kommt hinzu, daß der postmoderne Mensch in gewisser Weise passiv geworden ist: Er ist es gewohnt, daß alles an ihn herangetragen wird. Er ist zu bequem geworden, selbst auf die Suche zu gehen. Und wenn er es dann tut, irrt er sich oftmals aufgrund seiner Unbeholfenheit.

Und wenn man dann eingestiegen ist, in das Thema Theologie und Kirche, und sich gerade beginnt im Thema zurechtzufinden, stolpert man über die größte Hürde der postmodernen Theologie: Sie ist nicht alltagstauglich. Sie hat sich zu weit von der gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung entfernt - Sie spricht eine Sprache, welche die Menschen auf der Straße nicht sprechen. Wer nicht bereits ein gerüttelt Maß an Vorkenntnissen in  Philosophie, Sprache, Literatur und Geschichte mitbringt, der wird oft resignieren müssen, sobald es "an das Eingemachte" geht.

Es gibt viele Beispiele von Theologen, die, und an dieser Stelle möchte ich das unterstreichen, dankenswerter Weise ihr Wissen vor allem im Internet reichlich mit uns teilen, und doch: Theologie birgt stets die Gefahr in sich, vom "einfachen Mann" nicht verstanden zu werden. Wohlgemerkt: Das ist kein Vorwurf - weder an die Theologen noch an den einfachen Mann! Wer Theologie studiert hat, und sich dann auch nur in entsprechenden Kreisen aufhält, der merkt nun einmal nicht mehr, daß er in Begrifflichkeiten, Worten und Bildern spricht, die für den "durchschnittlichen Bildungsbürger" sehr abstrakt und schwer nachzuvollziehen sind. Hier muß was getan werden!

Viele Theologen haben das natürlich ebenfalls erkannt, und versuchen volksnäher zu sprechen und den Glauben zu vermitteln - manchen gelingt das gut, anderen weniger. Nicht jedem ist es gegeben, ein sehr abstraktes Thema von solcher gedanklichen Tiefe wie die Thologie, mit einfachen Worten dem Mann auf der Straße nähre zu bringen. Man sieht das sehr anschaulich in den Mainstream-Medien: Es gibt beispielsweise Talkshows, in denen ein katholischer Geistlicher durchaus kompentent und angemessen seine Ansichten vertritt, aber meistens "katastrophal theologisch" formuliert. Man spürt regelrecht die peinliche Nichtsahnung der Moderatoren und Kontrahenten (sofern sie nicht selber Theologen sind), und muß sich nicht wundern, wenn auf die betreffenden Ausführung weder zielführend, noch überhaupt eingegangen wird.

Wer das Volk erreichen möchte, muß wie das Volk sprechen. Theologische Fachdiskurse wirken eher abschreckend auf Viele, anstatt ihr Interesse zu wecken. Der kleine Mann auf der Straße möchte verstehen, warum unser Glaube so großartig ist, und was er ihm bringen kann - und nicht hunderte von Büchern, Bildungsangebote und Wikipedia-Artikel wälzen müssen. Daher ist natürlich mit einem tieferen Verständnis des Katholizismus in der breiten Öffentlichkeit kaum zu rechnen. Der Atheismus hat es da bedeutend einfacher: Es gibt keinen Gott, keine Sünde, und alles was zählt, bist Du. Das ist einfach - das versteht auch noch der einfachste Mann.

Der Katholizismus muß wieder näher an das Volk rücken - Predigten, Vorträge von Geistlichen, theologische Literatur und all das: Es muß mehr die Sprache des Volkes gesprochen werden - dann würden mit großer Sicherheit auch wieder mehr Menschen den Weg zu unserer Mutter Kirche finden.

Friede sei mit Euch!

Donnerstag, 19. Mai 2016

Katholiken gegen Katholiken

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

mit großer Bestürzung beobachte ich jene, die sich dafür berufen halten, bessere Katholiken zu sein, als der Papst oder andere Bischöfe. Durch ihr unheiliges Treiben richten sie immensen Schaden in der Kirche an. Und hier kann sich mir nur eine Frage stellen: Warum?

Da sind zum Beispiel jene, die grundsätzlich an allem herumkritisieren müssen: Sie zerlegen jeden einzelnen Satz oder Text des Papstes und der kirchlichen Autoritäten bis zur Unkenntlichkeit, um mit brutaler Rabulistik den Standpunkt argumentieren zu können, das sei Häresie! Oder es sei nicht "katholisch"! Was denn eigentlich "katholisch" ist, daß sagen sie dann allerdings auch nicht wirklich.
Aber es reicht immerhin, Schmähartikel zu veröffentlichen und sich auf dubiosen Verstaltungen für irgendwelche "Reformen" der Kirche einzusetzen. Um ehrlich zu sein, habe ich sehr oft das Gefühl, daß es hier nicht um eine geistige Erneuerung und ernstgemeinte (und durchdachte!) Reformen geht, sondern um mediale und kommunale Präsenz. Im Volksmund bezeichnet man solche Menschen passenderweise als "Wichtigtuer". Und kaum etwas sichert einem größere Aufmerksamkeit, als reisserische Polemik. Die antikirchliche Stimmung der letzten Jahre ist die ideale Bühne für solche Menschen, die zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit lautstark den Finger in die vermeintlichen Wunden der Kirche drücken.

Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Es gibt Brüder und Schwestern unter uns, die meinen, die katholiche Kirche sei nicht katholisch, und müsse daher reformiert werden, um wieder katholisch zu sein. Sie sind die klassischen Dauerreformer, die so lange reformieren, bis nichts mehr für irgendwas steht. Und was will man denn da alles reformieren: Ich höre/lese da immer nur diesselben geistlosen Themen: Zölibat abschaffen, Frauenpriestertum, Sakrementenspende an wiederverheiratete Geschiedene und auch die Kirchensteuer ist immer wieder mal gern genommen....immer das selbe! Hier geht es doch gar nicht um heilsame Reformen, sondern um einen radikalen Verweltlichungskurs, der die Kirche dem Zeitgeist angleichen will! Mit welchem Aufwand sich hier ausgetobt wird, ist erschreckend!

Aber auch das Gegenteil zu den "Überreformern" gibt es: Es sind jene, die es sich auf dem Thron des Egoismus gemütlich gemacht haben - ihr eigener Stolz und ihre Überheblichkeit machen sie blind gegen einer Welt, die kein schwarz und weiß kennt, sondern schlicht und ergreifend aus sich ständig im Wandel begriffenen Grautönen (sonst gäbe es auch keine Weiterentwicklung) besteht. Dieses unsägliche "und weil das schon immer so war, muß es so bleiben"..das ist doch nur die Angst, nicht mehr beachtet zu werden...nicht mehr die Nummer Eins zu sein. Ja: Hier geht es nicht um katholisches Glaubensgut, sondern um die Angst vor Veränderungen! Und es ist ja auch so einfach und bequem, immer schön weiter auf den eingetretenen Pfaden dahinzuwandeln, anstatt neue Wege zu gehen. Aber Christ zu sein bedeutet, eben nicht den bequemen Weg zu gehen! Die Kirche darf niemals anfangen, still zu stehen und zu erstarren. Aber genau das wollen viele "Hochgelehrte"...denn es kann bekanntlich nicht sein, was (nach ihrem Ermessen) nicht sein darf. Schluß damit! Seit wann ist der Heilige Geist denn ein Inbegriff für Stagnation und blinden Gesetzesgehorsam? Die Heuchler und Phärisäer sind eben diese steinernen Hochgelehrten, die im Tempel sich aufblähen gegenüber jenen, die in Demut sich nicht so wichtig nehmen, dafür aber den wahren Glauben im Herzen haben. Gerade Jesus Christus ist es, der davor warnt, das Gesetz über die Liebe zu stellen. Und Liebe bedeutet offen zu sein für die konkreten Bedürfnisse des Nächsten. Vorverurteilungen und Ausgrenzungen sind das genaue Gegenteil einer differenzierenden Nächstenliebe! Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben: Leben verändert sich! Leben bedeutet keinen Stillstand - keine Stgnation, kein Verharren im Gewohnten! Kaum macht der Papst aber eine entsprechende Andeutung in diese Richtung - daß man sich nämlich mit der Schöpfung Gottes weiterentwickeln muß - und schon bricht die Lamentiererei der vermeintlich konservativen Theologen los: "Es darf sich nichts ändern, denn sonst würde man ja den Glauben verraten..und überhaupt stünde das so nicht in der Bibel...und überhaupt halte ich es für falsch"...was für ein Unsinn! Aber dieser Unsinn eignet sich gut, um mediale Wellen zu erzeugen, und wieder ins Gespräch zu kommen. Diese hochgelehrten Theologen mit ihrer irrationalen Angst vor Veränderungen und ihrer Eitelkeit sind es, in denen Satan seine stärksten Waffen gegen die Kirche ins Felde führt! Divide it impera! Das wußten schon die Römer.

Und wie oft ist der Papst nichts anderes als der Sündenbock für alles, was einem unliebsam erscheint: Er würde mit seinen Zweideutigkeiten die Gläubigen verwirren. Die einzigen, die Verwirrung stiften sind jene, die genau das behaupten, und das dann noch medial breit treten! Es ist mir unbegreiflich, liebe Brüder und Schwestern, welches wahnsinnige Aufhebens beispielsweise um diese zwei Fussnoten (329 und 351) von "Amoris Laetitia" gemacht wird. Was da alles hineininterpretiert wird (selbst von Bischöfen) ist unglaublich! Ich habe den Text gelesen - mehrfach. Ich sehe nirgends einen glaubwürdigen Raum für Diskussionen derartiger Ausmaße! Und ich finde den Text auch nicht zweideutig, verworren oder schwer verständlich. Man überlege doch einfach mal mit dem gesunden, von Gott gegebenen, Menschenverstand: Der Papst erklärte lediglich in 351, daß jeder Fall wiederverheirateter Geschiedener, hinsichtlich ihrer Zulassung zur Eucharistie, individuell betrachtet werden muss, und keiner pauschalen Regelung überlassen werden sollte. Der Papst reagiert mit dieser Anmerkung ganz klar auf den realen Umstand, daß es immer Ausnahmen und besondere Umstände im Leben geben kann, in denen einfache feste Regeln nicht mehr zutreffend sind. Das hat was mit Gerechtigkeit zu tun - jemanden nämlich auszuschließen, der Reue zeigt, seine Fehler und Sünden einggesteht - diesen jemanden einfach abzugrenzen, also gewissermaßen "abzuhaken", ist mit absoluter Sicherheit nicht im Sinne Jesu Christi, und ist zudem noch ungerecht! Tag für Tag stehen wir Situationen gegenüber, die sich einer "schnellen und einfachen" Betrachtung entziehen, und erstmal richtig durchdacht und sorgsam entschieden werden müssen. Und oftmals Irren wir dann immer noch und merken es erst später - und dann soll es dem Sinne Christi entsprechen, daß die Kirche uns sagt: "Sorry, Pech gehabt"? Aber schon regen sich die Unruhegeister: Das sei Verwirrend, das sei Unklar, die Priester und Bischöfe wüßten nicht, wie man damit umzugehen hätte.
Nicht besser die Reaktionen auf 329: Was an den inhaltlich durchaus schlüssigen Ausführungen nicht zu verstehen sein soll, erschließt sich mir nicht. Auch hier hilft gesunder Menschenverstand: Der Papst hat nichts anderes getan, als der gerechten, individuellen Behandlung unterschiedlicher Lebenssituationen Raum geschaffen, die vorher (angeblich - da gibt es wiederum die schönsten Diskussionen) rigoros abgeurteilt wurden. Was daran schlecht ist, daß nun die geistlichen Hirten sehr viel sensibler und flexibler ihrer Aufgabe der Seelsorge und Betreuung ihrer Schäfchen nachkommen können - gerade das ist doch das, was immer gefordert wird: Die Kirche dürfe nicht so verstaubt, starr und reglementiert sein. Und nun, wo sich etwas tut, wird gejammert, daß einem die Haare zu Berge stehen.

Wohlgemerkt gebrauchte ich hier das Wort "behandeln" und "betrachten" - nicht "beurteilen", denn das kann ausschließlich Gott allein. Aber Gott sieht auch die Herzen. Mal angenommen, ein Priester spendet wiederverheirateten Geschiedenen das Sakrament der Eucharistie aufgrund seines guten und aufrechten Glaubens, daß es im betreffenden Falle keine absoluten Hinderungsgründe gibt, dann wird letztlich Gott über das Paar entscheiden. Gott ist immer derjenige der zuletzt urteilt - auch über die Kirche und ihre Funktionsträger. Und ein Priester, der im guten und ehrlichen Glauben handelt, sollte sich hierüber keine Gedanken machen müssen, denn wenn er aus Nächstenliebe und Barmkerzigkeit handelt - was sollte daran falsch sein? Das er etwa gegen von Menschen gemachte Gesetze verstossen hat? Genau dagegen hat Jesus doch immer gewettert: Daß von Menschen geschriebene Gesetze wichtiger genommen werden, als die Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Aber dazu komme ich noch weiter unten. Denn Gesetze sind interpretiertbar und unterliegen immer auch menschlichen Schwächen - Liebe aber ist nicht interpretierbar. Sie kann nicht interpretiert oder ausgelegt oder umdefiniert werden. Sie ist etwas absolutes! Und deswegen steht sie immer über von Menschen interpretieren Gesetzen.

Aber zurück zum Thema: Wenn ich dieses ganze Theater über jede einzelne Veröffentlichung des Papstes als gerechtfertigt voraussetzen würde, würde das für mich entweder implizieren, daß die genannten Priester und Bischöfe so unselbstständig im Glauben sind, daß sie sich eine individuelle, angemessene Betreuung ihrer Gemeindemitglieder und ihrer jeweils speziellen Lebensumstände nicht zutrauen, oder aber, daß sie Angst davor haben, eine Entscheidung zu treffen, die sie zu verantworten haben könnten. Wenn sie also nicht die Verantwortung dafür übernehmen wollen, in gutem Glauben eine eigene Entscheidung zu treffen, und beispielsweise einem Paar wiederverheirateter Geschiedener die Teilnahme am eucharistischen Sakrament erlauben, liebe Brüder und Schwestern, wenn das tatsächlich so ist, dann ist dies ein Armutszeugnis! Dann haben diese Hirten der Gemeinde einen wesentlichen Bestandteil ihrer Berufung verloren: Nämlich das eigenverantwortliche Handeln im Glauben! Lehramt hin oder her: Der Papst hat schließlich keine "Freifahrtscheine" ausgestellt, sondern klipp und klar die Möglichkeit von Ausnahmen geschaffen, um Menschen, denen der Glaube vielleicht wesentlich ernster ist, als vielen "Vorzeigekatholiken", die Türen zu den Sakramenten und zur Kirche zu öffnen, und nicht, wie bisher, einfach verschlossen zu lassen.

Was nun die Unauflöslichkeit der Ehe betrifft, auf die sich ja immer wieder bezogen wird: Jesus hat einer Prostituierten vergeben, welche die Ehe sicherlich mehr als einmal gebrochen hat, mit der Weisung, hinfort nicht mehr zu sündigen. Und das Gebot, daß man die Ehe nicht brechen soll, steht erst an sechster Stelle, während bereits an der zweiten Stelle steht, Du sollst den Namen des Herrn nicht verunehren. Wenn ich aber erbarmungslos einem Menschen, der durch die Unwägbarkeiten und Unsicherheiten eines jeden menschlichen Lebens abgeirrt ist, und sich nun bekehren will, den Zugang zu den Sakramenten verwehre, "weil das Lehramt das nunmal so sagt", dann ist das gerade eine Verunehrung des Namens des Herrn. Dann hiesse dies nämlich, daß wir das Gesetz der Nächstenliebe nicht erfüllen, weil uns das geschriebene Wort wichtiger ist, als Gerechtigkeit und Barmherzigkeit! Ja, Jesus hat gesagt "was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht trennen" - aber diese Aussage wäre nicht von Jesus, wenn damit ein erbarmungsloses, alternativloses Generalgesetz interpretiert werden würde, daß im Widerspruch zur Nächstenliebe steht. Immerhin steht hier "soll" nicht "darf".  Für mich steht diese Aussage jedenfalls eindeutig unter der Kategorie: Die Ehe ist ein heiliges Geschenk Gottes - da hat ein Mensch normalerweise nicht dran rühren. Und dennoch sollen wir unsere Nächsten nicht richten oder verurteilen, weil allein Gott dies vermag. Weiter: Die beiden wichtigsten Gebote sind immer noch die Liebe zu Gott und zum Nächsten - von Jesus selbst so gelehrt. Die stehen eindeutig noch über der Sache mit der Ehe. Die Liebe zum Nächsten beinhaltet beispielsweise auch immer die Frage nach den Ursachen einer "irregulären Situation", um nicht zu Unrecht zu verurteilen. Das blinde Ausschließen von Menschen, die in einer als solchen klassifizierten "irruglären Situation" leben, heißt, denen unter ihnen Unrecht zu tun, die ihre Verfehlung erkannt haben, diese ernsthaft bereuen und zu korrigieren versuchen.Und gerade mit seiner Aussage, daß man schon mit lüsternen Blicken die Ehe bricht, macht Jesus klar, daß es faktisch unmöglich ist, sich knallhart und 100 Prozent an die Gebote zu halten. Hier liegt ein Hinweis darauf, daß es eben immer wieder einmal zu Verfehlungen kommt, auch wenn es heißt, man soll die Ehe nicht brechen. Jesus lehrt kein Schwarz-Weiß - denn das bedeutet Polarität, Gegesätzlichkeit, Trennung und Widerspruch - sondern er lehrt den absolut unrelativierbaren Stellenwert der Liebe, auch wenn wir uns verfehlen!

Und was die sonstigen theologischen Spitzfindigkeiten betrifft, mit denen immer hin- und herargumentiert wird: Man stelle sich doch mal einen Hirten vor, der vor jeder Entscheidung, die er zum Wohle seiner Herde zu treffen hat, jahrelange Konferenzen, Mehrheitsbeschlüsse, Diskussionen und Reformen abwartet, theologische Diskurse führt, "Befehle von oben" abwartet....einem solche Hirten würde ich nicht mal ein einziges Schaf, geschweige denn eine ganze Herde, anvertrauen.
Nichts zu tun, und zu behaupten, dies oder jenes könne man nicht entscheiden, oder wäre nicht tragbar, weil es "keine klare Vorschrift gibt" - das ist das Allerletzte, was ich von einem berufenen Diener Gottes erwarte. Eine solche Haltung gehört bestenfalls ins Militär, aber keinesfalls in die lebendige Kirche! Wo ist das Vertrauen unserer Kirchenvertreter in die Wirksamkeit des Heiligen Geistes? Unsere Priester und Bischöfe sind aus- und hochgebildete Theologen und haben die Weihe empfangen - der Herr ist in ganz besonderer Weise mit ihnen, und doch sind ihnen geschriebene Regeln und Vorschriften wichtiger als die gelebte Verkündigung des Evangeliums? Nein, man will augenscheinlich alles ganz klar, eindeutig, einfach und bequem haben. Bloß keine eigene Entscheidung treffen, bloß nicht zuviel Nachdenken, damit man auch ja nichts falsch macht!

Und wenn dann doch mal eine klare Ansage aus Rom kommt, dann melden sie sich auch wieder, die Nörgler und Besserwisser. Dann heißt es, "das wäre nicht katholisch", oder "wie kann man das denn so sagen", oder "das wäre nicht tragbar"....es ist ein wirklich ein Elend. Nein, liebe Brüder und Schwestern, was hier passiert, hat nichts damit zu tun, daß man die Kirche an sich "verbessern" will, oder man sich dazu versteigt "besonders katholisch" zu sein: Man ist schlicht und einfach gierig ist nach Geltung, Macht und Einfluß. Mal ist es eine Gruppe von Bischöfen, mal sind es Pfarrgemeinderäte, Theologen, Populisten, Gemeindemitglieder oder gemischte Gruppierungen aus Medien und Verbänden, die immer wieder für Unruhe und Verwirrung sorgen. Um ihr Geltungsbedürfnis zu befriedigen, oder an Einfluß zu gewinnen, würden sie alles opfern - sogar ihre Integrität. Medien spekulieren auf Quoten und Marktanteile, mancher Bischof auf einen Kardinalsposten, und manches Pfarrgemeindemitglied auf regelmäßige Präsenz in den kommunalen Medien. Es geht den Brandstiftern in Wirklichkeit nur um sich selbst, und nicht um die Sache!

Und als wenn das noch nicht reichte, haben wir noch jene "Katholiken", die alles ganz genau wissen, die sofort die gesamte Bibel und den Katechismus zitieren können, die jeden Sonntag pünktlich zur Messe erscheinen, jeden Feiertag minuziös begehen, aber in ihrem Herzen nicht einen Funken wahren Glaubens haben, sondern nur nach Regeln und Gesetzen leben, um sich damit zu brüsten, und als bessere Menschen zu fühlen. Heuchler und Pharisäer nannte sie der Herr. Sie dienen nicht ihm, sondern sich selbst. Aber das haben wir ja weiter oben schon benannt.

Ich stelle mich mit dieser harten Kritik übrigens nicht über all diese Leute, von denen ich soeben geschrieben habe, sondern weiß, daß sie nur Menschen sind. Menschen mit menschlichen Fehlern, wie sie auch mir zu eigen sind. Ich begrüße jegliche Form der angemessenen Diskussion, der sachlichen Kritik und auch Reformen können durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Aber für Polemik, Rabulistik und Machtgier sollte es gerade in der Kirche keinen Raum geben. Man wird mir vielleicht vorhalten, ich würde mich mit diesem Artikel ja auch nur "aufblasen". Und es "stünde mir nicht zu" solche Kritik zu üben, da ich keine entsprechende "Kompetenz" habe. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht will ich auch nur die Mißstände anprangern, die sich entwickelt haben, weil es unerträglich ist, wie alles zerredet und totdiskutiert wird. Es ist sehr, sehr traurig, daß unsere Kirche offensichtlich nicht nur von aussen hart angegangen wird, sondern auch von innen.

Und eines dürfen wir niemals vergessen: Die Kirche ist keine tote, bürokratische Institution, sondern sie ist die eine lebendige heilige katholische Kirche, in welcher der Heilige Geist waltet. Sie ist der Leib Christi, wächst und entwickelt sich. Sie darf niemals einfach nur stillstehen und auf überkommenen Standpunkten beharren! Die Menschen verändern sich, die Welt verändert sich, die Schöpfung verändert sich - sie ist ja immer noch in vollem Gange. Und so muß es auch die Kirche tun - im rechten Maß zur rechten Zeit. Neues sorgsam prüfen, Bewährtes bewahren, und Vergangenes loslassen. Sich im Dienst für unseren Herrn Jesus Christus und am Nächsten immer wieder fragen: Bin ich gnädig? Bin ich barmherzig? Habe ich recht gehandelt? Was würde mir der Herr jetzt wohl sagen? Diese Fragen sollten wir uns alle, die wir als Glieder den Leib Christi bilden, immer wieder aufs Neue stellen.

So laßt uns beten:

Allmächtiger Vater,

bitte erfülle die Herzen aller Gläubigen mit dem Deinem Heiligen Geist,
und heile die Wunden im kirchlichen Leib deines Sohnes, unseres Herrn.
Lasse die Glieder dieses Leibes wieder näher zusammenfinden, auf
daß der Versucher keinen Raum mehr findet, in dem er sich
verstecken kann.

Ich bitte für alle, die sich vom Weg der Berufung verirrt haben,
für alle, die den Glauben in seiner Tiefe nicht mehr spüren,
und für die verlorenen Schafe Deiner Herde,
daß sie alle mit uns im Hause des Vaters vereint werden.

Darum bitte ich Dich
durch unseren Herrn Jesus Christus
und im Heiligen Geist,

AMEN.

Der Friede sei mit Euch, liebe Brüder und Schwestern!





Mittwoch, 18. Mai 2016

Spiegelblick

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

es gibt manchmal diese Momente im tagtäglichen Einerlei, in welchem sich die Gelegenheit bietet, in einen Spiegel zu schauen, und man sich fragen kann, wer das ist, der einem da entgegenblickt. Erkennt man sich darin sofort wieder, oder rühren sich da plötzlich unangenehme Gefühle, Fragen und Erinnerungen? Liebe Brüder und Schwestern: Was sagt das nicht alles über einen Menschen aus, wenn man die Art und Weise betrachtet, mit der sich jemand im Spiegel anblickt!

Da gibt es zum Beispiel die Eitlen, Getriebenen und Gefallsüchtigen: Man bekommt das eine oder andere graue Haar, man müsste sich wieder rasieren, ein hässlicher Pickel hat sich herangebildet, die Kleidung steht einem nicht, der Schmuck ist nicht hübsch genug, die Schminke müsste nachbessert werden...Unendliches, was diese Menschen sehen, aber doch nichts von wahrer Bedeutung: Diese Menschen haben kein Interesse sich selbst im Spiegel zu sehen: Sie wollen nur das sehen, was andere sehen sollen! Sie wollen sich gefallen, indem sie anderen gefallen.

Und dann gibt es Gleichgültigen, die Gewohnheitstiere: Sie blicken in den Spiegel, und wenden sich wieder ab - zufrieden, wenn sie das sehen, was sie immer sehen wollen. Sie hinterfragen nicht, was sie sehen, und sie denken auch nicht darüber nach. Alles soll nur so sein, wie es immer ist: Das Gewohnte, Althergebrachte, Unauffällige, Bequeme und Gewöhnliche. Bloß keine Veränderung, keinen Fortschritt, keine Entwicklung - denn diese könnten ja zum Negativen sein.

Aber was ist mit uns, liebe Brüder und Schwestern? Was wollen wir erblicken, wenn wir in den Spiegel sehen? Wollen auch wir die prüfenden Blicke nur auf das fokussieren, was anderen wichtig ist? Oder wollen wir einfach zufrieden sein und weitergehen, wenn alles so ist, wie es immer ist? Keine Gedanken? Kein wirkliches Erkennen? Oder sollten wir nicht lieber in den Spiegel blicken, und uns bewußt fragen: Wer ist das, den ich da im Spiegel sehe?

Zuallererst sieht man im Spiegel nur das Vergängliche und Veränderliche: Unsere zerbrechliche Hülle aus Fleisch und Blut, welche erkranken kann, altern und letztlich sterben wird. Das ist zunächst einmal alles, was wir sehen. Und das genügt manchem auch schon. Das ist es, was manchem Menschen bereits ausreicht, um sich selbst zu erkennen und zu selbstsicher zu behaupten: Das bin ich. Er reduziert sich, sein Wesen, seine Existenz und sein Leben auf ein "paar" Moleküle, die mittels biochemischer Vorgänge unseren Lebenprozess abbilden.

Dabei ist da noch so Vieles mehr, was hinter in dieser Hülle verborgen ist! Auch wenn wir das, von dem ich gleich sprechen werde, nicht mit unseren eigenen körperlichen Augen sehen können, so gibt es doch jemanden, der es uns zeigen kann, wenn wir nur wollen - wenn wir nur fragen! Nämlich Jesus Christus. Nichts ist vor ihm verborgen, er kennt auch die entlegensten Ecken unserer Gedanken, Erinnerungen, Wünsche, Begierden und Taten. Wen wir verletzt, betrogen, beleidigt oder versetzt haben, vielleicht auch bestohlen oder mißhandelt - all das weiß Jesus Christus und zeigt es uns, wenn wir es uns zeigen lassen. Aber da sind natürlich auch unsere guten Seiten - wo wir Mitleid hatten, Barmherzig waren, unseren Mitmenschen geholfen haben und wo wir gerecht waren. Auch das zeigt uns Jesus, denn er selektiert nicht. Er wählt nicht aus, sondern er ist der Inbegriff der absoluten Wahrheit!

Und nun wollen wir uns vorstellen, daß der metaphorische Spiegel von eben Jesus Christus persönlich ist. Wir blicken zu ihm auf, und er zeigt uns durch den Heiligen Geist, wer wir wirklich sind. Er portraitiert unser wahres Ich vor unserem inneren Auge, und wie werden wir uns dann fühlen? Sind wir zufrieden mit diesem unseren wahren Bild? Oder fühlen wir uns hässlich? Sind wir stolz auf das, was uns der Heilige Geist zeigt, oder verachten wir uns? Aber täuscht Euch nicht: Jesus zeigt uns all das nicht, um zu strafen oder zu belohnen - er zeigt es uns, um uns erkennen zu lassen, wo wir besser werden sollen, oder wo wir richtig lagen. Er zeigt es uns, um uns zur Umkehr zu bewegen, wo immer wir gefehlt haben. Er zeigt es uns, weil es die reine Wahrheit ist. Erinnern wir uns: Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Liebe Brüder und Schwestern, an jenen Tagen nun, an denen wir stolz auf das sind, was uns der Herr offenbart, wollen wir ihm demütig danken, und bitten, daß er uns vor Hochmut und Eitelkeit bewahre, denn zu sehr sind wir Menschen anfällig dafür. An den Tagen jedoch, an denen wir uns schuldig fühlen, ja wo wir uns vielleicht sogar verachten und uns schämen, wollen wir den Herrn aufrecht bitten, daß er uns unsere Verfehlungen vergebe - und ich bin sicher, daß er es tun wird, wenn wir nur das geistige Spiegelbild, welches er uns durch den Heiligen Geist erkennen läßt, voll annehmen und akzeptieren. Denn niemals hat Jesus Christus von uns erwartet, daß wir perfekt sind. Aber er erwartet von uns, daß wir ehrlich sind zu uns selbst; daß wir uns bessern wollen, daß wir uns unsere Fehler eingestehen wollen, und mit all diesen Anliegen im Gebet vor ihn treten.

Und was haben wir nun davon, daß wir unser dieser, oftmals sehr unangenehmen, Selbsterkenntnis durch den Heiligen Geist aussetzen? Ich will es Euch sagen: Viele Enttäuschungen, Schmerz und manches Leid in der Welt, entspringen allein der Tatsache, daß Menschen sich niemals untereinander so anzunehmen vermögen wie sie sind. Wie oft verletzen Menschen sich und andere, weil sie glauben, etwas anderes sein zu müssen, als was sie sind. Dieser Wahn, stets zu beweisen, daß man das ist, was andere scheinbar oder real von einem erwarten, kann ein ganzes Leben zerstören! Wer nicht ehrlich zu sich selbst ist, der ist auch nicht ehrlich zu anderen: Er hat eine stets verwundbare Stelle, und oftmals treffen uns unsere Mitmenschen genau da: Sie enthüllen unser Versteckspiel, weil wir einen Fehler in unserer Tarnung haben - weil sie die Risse in unserer Fassade erkennen - und sich dadurch selbst präsentieren und erhöhen, indem sie andere bloßstellen. Der Mensch, der immer nur den Erwartungen anderer gerecht werden will, der jagt einem Phantom nach - denn Erwartungen verändern sich ebenso rasch wie Launen. Sie sind fließend - man bessert immer nach, investiert Zeit und Geld, erreicht aber niemals das Ziel. Man lebt in der steten Befürchtung, erkannt, entblößt, enttäuscht oder ausgegrenzt zu werden.

Und aus diesem Strudel der steten Unruhe, diesem Stress, der Anspannung und Abnutzung, kann uns der Blick in den geistlichen Spiegel befreien: Denn wer sich selbst voll und ganz annimmt, mitsamt seinen Fehlern und Schwächen, Stärken und Facetten - und so im Gebet und im Glauben vor den Herrn tritt und aufrichtig um seine Hilfe und Vergebung bittet, der wird den wohl höchsten Lohn empfangen, den wir in dieser Welt erhalten können: Nämlich den tiefen Frieden mit sich selbst, der aus der Gewißheit erwächst, ganz und gar von Gott dem Herrn geliebt und angenommen zu sein, wie man ist. Er wird Gelassenheit erlangen, weil er weiß, daß er nicht nur mit Gott ist, sondern Gott auch mit ihm! Er wird Sicherheit erlangen, denn er weiß, daß Gott ihn stets auf rechten Pfaden führt, und alles, auch wenn man es nicht immer unmittelbar und sofort erkennt, auf lange Sicht doch zum Besten gefügt ist.


Und so wollen wir beten:

Herr, allmächtiger Vater,
bitte erfülle uns mit Deinem Heiligen Geist,
und schenke uns die Selbsterkenntnis,
die wir brauchen, um unsere Sünden zu erkennen,
uns zu bekehren und uns zu bessern.

Schenke uns Deine Vergebung und die Kraft,
den Versuchungen dieser Welt nicht länger zu unterliegen,
sondern unser Leben nach Deinem Willen zu gestalten.
Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Mitmenschen
bitten wir Dich durch Jesus Christus, unseren Herrn,

AMEN.

Donnerstag, 12. Mai 2016

Von der Suche


Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

stellt Euch einmal folgendes vor: Ihr betretet eine riesige Bibliothek mit mehreren Etagen, hunderten von Regalen und abertausenden von Büchern. Und Ihr möchtet ein bestimmtes Buch finden, wisst jedoch nicht, wie es aussieht, welchen Titel es trägt, oder wer es geschrieben hat. Ihr wisst rein gar nichts, steht aber jetzt vor diesem erdrückenden Überangebot, und spürt das Verlangen, das eine bestimmte Buch zu finden. Euer Verlangen wird euch letztlich dazu veranlassen, mit dem Herumstöbern zu beginnen: Ihr wandert durch die Regale und Etagen, schnuppert in unterschiedlichste Bücher hinein, stets in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu finden, welches das richtige Buch letztlich sein könnte. Hier schnappt Ihr einen möglichen Autoren auf, dort einen möglichen Inhalt, und an anderer Stelle vielleicht sogar ein passendes Äußeres. Aber diese Suche dauert sehr lange und ist mühsam: Stunden um Stunden vergehen, immer wieder wollt Ihr aufgeben, und immer wieder verändert sich der Eindruck, welcher sich in Euch von dem gesuchten Buch gebildet hat. Was eben noch als roter Faden erschien, ist im nächsten Moment schon wieder dahin. Eure Unrast läßt Euch irgendwann verzweifeln, verzagen - Ihr beginnt an der Situation zu verzweifeln. "Ich will das eine bestimmte Buch! Es muß hier doch irgendwo sein!" schreit es in Euch, aber Ihr findet es nicht.

Diese Suche, liebe Brüder und Schwestern im Herrn, ist ein Gleichnis und kann mitunter ein ganzes Leben dauern. Denn Sie ist uns eingegeben seit dem Augenblick, in welchem Gott zu uns gesagt hat: "Ich will, daß Du bist!", und wir begannen, im Leib unserer Mutter heranzuwachsen. Dieses Verlangen, welchem ich in obigem Beispiel mit der Suche nach einem ganz bestimmten Buch beispielhaft skizzierte, ist so etwas wie ein Loch in unserem innersten Kern, unserem Herzen. Wir spüren unbewußt ein unbestimmtes Verlangen in uns - gleichsam einer Stelle, die leer ist, und gefüllt werden will; eine Stelle, an der wir unvollständig sind. Und auf unserem Weg durch das Leben treibt uns die Suche nach der passenden "Füllung", nach unserer Vollständigkeit, immer wieder um.

Aber die Welt um uns ist wie jene Bibliothek aus dem Beispiel: Sie überflutet uns mit einem ungeheuren Angebot aller möglichen Dinge, die vielleicht an dieser leeren Stelle in unserem Herzen passen könnten: Sekten, Religionen, Aberglaube, Materialismus, Reichtum, Erfolgt, Lust...Unzähliges liesse sich hier aufzählen, und wie grundverschieden diese Dinge auch voneinander sind, sie können diese Stelle niemals füllen. Sie können uns niemals vervollständigen. Bestenfalls täuschen wir uns darüber für eine gewisse Zeitspanne hinweg: Aber die Leere kommt früher oder später wieder. Und wir fühlen uns immer wieder erneut gezwungen, auf die Suche zu gehen. Das Schlimme daran ist, welch katastrophale Auswirkungen diese falschen Funde haben können: Sie können unter Umständen nicht nur unser eigenes  Leben zerstören, sondern auch das unserer Mitmenschen. Diese falschen Funde: Sie können ausarten in Perversionen, Süchte, Machtgier, Herzlosigkeit und vieles andere, daß immer nur zerstörerisch wirken kann und muß. Denn die Stelle, an welche wir unsere falschen Funde einsetzen, ist eigentlich für etwas anderes gedacht: Sie ist gedacht für die Liebe und die Wahrheit - sie ist für Gott gedacht. Er allein ist durch sein Wesen her das einzige Stück, welches sich in diese leere Stelle in uns, unserem Herzen, einpassen läßt, und so perfekt passt, daß wir nie wider das Bedürfnis haben werden, Suchen zu müssen.

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, machen wir uns das bewußt, und verkündigen es bei jeder sich bietenden Gelegenheit: Nur Gott kann uns Vollständig machen. Nur er kann uns "heil" machen im besten Sinne. Er heiligt uns durch sich - dadurch, daß wir ihn in unser Herz einlassen, an diese innerste leere Stelle, werden wir heil, und ganz Mensch - so wie Gott uns geschaffen hat, als sein Abbild. Lassen wir nicht all diese falschen Funde ein in unser Herz und nehmen so dem Herrn den Platz, den er doch für sich in uns vorgesehen hat. Denn ist Gott in unseren Herzen, dann erst leben wir! Dann erst bekommt alles seinen Sinn - wird die Welt vor unseren Augen gewissermaßen neu geordnet. Was vorher sinnlos schien, das offenbart sich uns nun als sinnvoll. Wo wir Hoffnung fahren liessen, erwächst uns neue Zuversicht. Wo wir geschwächt waren, erhalten wir neue Stärke. Wo uns die Angst beherrschte, schöpfen wir neuen Mut. Wo der Sturm uns umhergewirbelt hat, haben wir nun ein festen Anker. Wo wir im Labyrinth verloren waren, erblicken wir nun den rechten Pfad, der uns nach Hause führt. Dorthin, wo das ganz bestimmte Buch für uns bereitliegt, nachdem wir so bedürftig sind.

Lasset uns beten:

Allmächtiger Vater,

ich bitte Dich, erhöre dies unser Gebet,
daß Du uns mit Deinem Geist erfüllen magst,
der uns heilt, und Deinen Willen uns offenbart.
Gib, daß wir Deine Liebe erkennen,
und unser Herz nicht den Versuchungen dieser Welt
anheim fallen lassen.
Führe und leite uns auf dem Weg zu Dir,
und vergib uns unsere Verirrungen.

Allmächtiger Vater,
wir bitten Dich auch für all unsere Mitmenschen,
deren Herz erfüllt ist mit Götzen und Versuchungen,
auf das sie Wahrheit erkennen und sich bekehren mögen.
Darum, und um Deinen Segen für uns,
und alle Suchenden,
bitten wir Dich durch Deinen eingeborenen Sohn,
unseren wiederauferstandenen Herren und Erlöser,
Jesus Christus, und in der Kraft des Heiligen Geistes,

AMEN.