Matthäus 7, 21-23

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HERR, HERR! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: HERR, HERR! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben, und haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter! (Matthäus 7, 21-23)

Montag, 11. Juli 2016

Die Frage des Pilatus

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,


in der Heiligen Schrift lesen wir von der Frage des Pilatus, was denn Wahrheit sei. Und wir lesen dort auch, daß ihm Jesus keine Antwort gab. Er schwieg. Warum schwieg Jesus? Es wird oft interpretiert, daß Jesus aus einer Art von Resignation heraus schwieg - ganz wie wir selbst oft nichts mehr antworten, weil wir keinen Sinn mehr darin erkennen.

Aber Jesus ist Gott: Kann Gott resignieren? Ich tue mir schwer mit dieser Vorstellung. Denn wann resignieren wir Menschen? Wir resignieren, wenn wir uns mit etwas abgefunden haben, das wir nicht mehr beeinflussen können: Wenn wir erkennen, daß wir machtlos sind, und an diesem Zustand nicht verzweifeln wollen. Dann "nehmen wir es hin" - wir resignieren. Aber Gott ist allmächtig - was sollte ihn in eine Situation bringen, in der er sich machtlos fühlt? Nein - ich kann mich dieser Auffassung nur schwer anschließen.

Also warum schwieg Jesus? Wenn meine Tochter mir manchmal Fragen stellt, von denen ich weiß, daß sie selbst auf die Antwort kommen kann, dann schweige ich mitunter auch: Es ist dann ein aufforderndes Schweigen. Ich verweise sie damit auf sich selbst, da mein Schweigen ihr zeigt, daß ich gar nicht zu antworten brauche, weil es keiner Antwort bedarf. Und fast immer dauer es nur ein paar Sekunden, und schon erkenne ich, daß sie sich selbst die nötige Antwort gegeben hat. In diesem Sinne kann demnach auch Schweigen eine sinnvolle Antwort sein. Hat Jesus also geschwiegen, um Pilatus zum Nachdenken zu bringen?

Vielleicht hat Jesus aber auch gescheigen, um gerade das zu vermeiden: Das Pilatus zuviel nachdenkt, und in seiner Haltung schwankt - denn wir wissen: Er hätte sehr wohl Jesus begnadigen können, wenn er gewollt hätte. In der Position hierzu war er ja. Aber dann hätte sich das Schriftwort nicht erfüllt! Dann wäre Jesus nicht am Kreuz hingerichtet worden! So gesehen hatte das Schweigen wahrscheinlich den Sinn, Pilatus nicht zu verwirren oder gar zu überzeugen. Denn aus der Schilderung der Heiligen Schrift ersehen wir, daß Pilatus keineswegs so fest von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt war, wie oft behauptet wird. Er hatte zumindest ein schlechtes Gewissen, da er sich die Hände "in Unschuld" wusch. Er verteidigte Jesus vor den Juden, auch wenn er letztlich nachgab. Und allein seine Frage "Was ist Wahrheit?", zeigt uns sein grundsätzliches Interesse - es interessierte ihn, was es mit der Person Jesus auf sich hatte! Er hätte diese Frage niemals gestellt, wenn er von seinem Handeln fest überzeugt gewesen wäre.

Und Jesus schwieg. Es war ein bewußtes Schweigen, damit die Schrift erfüllt werde. Damit Jesus Christus sein Erlösungswerk vollbringen konnte. Und man stelle sich vor: Welche Überwindung hätte es uns an Jesu' Stelle gekostet, nicht zu antworten, obwohl wir damit wahrscheinlich unser Leben hätten retten können. Denn ich kann mir regelrecht diesen Moment vorstellen, in dem Pilatus, ratlos, verwirrt, leicht überfordert von der Situation, an Jesu' Lippen hängt und verzweifelt auf eine Antwort wartet, die ihn von seiner Unsicherheit erlöst. Und dann, nach ein paar Augenblicken in denen die beiden sich wohl tief in die Augen geschaut haben mögen, die plötzliche Resignation des Pilatus - ja: Nicht Jesus hat resigniert, sondern Pilatus. Er sah ein, daß er nun alleine würde entscheiden müssen.

Und wie es weiterging, wissen wir ja - die Politik siegte. Und sie mußte auch siegen, um unserer Erlösung willen.

Und so mag es auch uns manches Mal ergehen wie Pilatus: Wir stehen in einer schwierigen Situation, in einer Krise, in der wir den Überblick verloren haben. Wo wir nach Antworten suchen, nach einem Ausweg. Und hatte wir da nicht auch das ein oder andere Mal das Gefühl, daß Jesus uns nicht antwortet? Wenn wir gebetet, und gefleht haben, in großen, wie in kleinen Dingen, und es kam nichts? Dann sollten wir an Pilatus denken: Auch er erhielt keine Antwort, und alles was dann geschah, geschah um des Willens Gottes wegen. Wenn Jesus uns also nicht antwortet, dann hat das mit Sicherheit seinen Sinn, auch wenn wir ihn nicht begreifen.

Liebe Schwestern und Brüder, seien wir also getrost, wenn wir denken, daß Gott uns "am langen Arm verhungern" zu lassen scheint. Seit versichert, dem ist nicht so! Tröstet Euch mit dem Gedanken an Pilatus - er erhielt auch keine Antwort und, ohne es zu wissen, erfüllte er gerade dadurch den Willen Gottes.

Der Friede sei mit Euch!

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